Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

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euroschlumpi
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Re: Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

Beitrag von euroschlumpi »

Ich habe mir sehr lange überlegt, ob ich zu diesem Thema noch was schreiben sollte.

Das liegt daran, daß ich immer noch über das Wort [einfach] stolpere, welches zuletzt nicht mehr in """" steht!

Vollkommen richtig: Die Hinterbliebenen und der Zugführer sind mehr als traumatisiert.

Da bleibt nur zu hoffen, daß sie sich bald eingestehen können, daß sie das haben nicht verhindern konnten.

Das Kind wegen seiner 8 Monate in seiner Wahrnehmung mit "nur" zu kennzeichnen ist menschlich mehr als bedenklich.

Da bin ich eigentlich richtig entsetzt (Kinder in diesem Alter nehmen mehr wahr, als man glaubt).

Und: Herr Enke war ein sehr intelligenter, sozial eingestellter Mensch, der an einer fürchterlichen Krankheit litt.

Diesen Ausweg hat er sich garantiert alles andere als einfach gemacht.

Hier erkennen ja sogar die Experten, daß sie an ihre Grenzen stoßen.
Mayo

Re: Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

Beitrag von Mayo »

Hallo

Aber ich kann dir versichern,es ist sehr wahrscheinlich das ein 8 Monate altes Kind später nicht mehr weis, ob da jemand war oder nicht.
Weil einfach die Erinnerungen fehlen.

Ich sehe es immer bei meinem Kind.
Wenn Oma und Opa gehen (wohnen so weit weg, das sie nur alle paar Monate kommen können), sieht man die Traurigkeit.
Aber genauso sieht mann, wenn sie wieder zu Besuch kommen, das es eine Zeit braucht, bis es sie wiedererkennt.

Das ist bei einem älteren Kind nicht mehr so.

Um das "nur" verständlicher zu machen.

Das er krank war habe ich auch nicht abgestritten, nur die Art und Weise des Ablebens verurteilt.
euroschlumpi
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Re: Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

Beitrag von euroschlumpi »

OK - auch meine Großeltern lebten während meiner Kindheit 800 KM entfernt ...

Was hat das mit dem Thema zu tun?

Ich rede von traumatischen Erlebnissen (oder schon mal was von pränataler Sozialisation gehört?)

Kurz um: mein Job ist es seit Jahren, Menschen mit teilweise erheblichen Defiziten zu betreuen.

Dazu gehören neben extremen sozialen Defiziten auch vor allem psychische Krankheiten, Autismus, geistige Behinderung ...

Und Du kannst mir glauben: die Wahrnehmung solcher Menschen ist großteils sehr gestört.

Die Wahrnehmung eines "gesunden" Kindes (schon im Mutterbauch-->pränatale Sozialisation) und deren Folgen daraus ist immens.

Herr Enke hat seine Not beendet, die Folgen für die Nachwelt waren da nicht mehr präsent - er war krank - leider ...
euroschlumpi
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Re: Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

Beitrag von euroschlumpi »

Hier noch ein Beitrag aus:

@ t-online.de

Habe diesen Beitrag absichtlich in Text umgewandelt, da er Links enthält, deshalb auch nicht verlinkt.
Für jeden aber locker zu finden. Ich finde dieses Interview sehr passend zu den heutigen Beiträgen,
und möchte klarstellen, daß ich diesen Beitrag nicht verändert habe ...

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"Nach dem Suizid ist alles vorbei, dann ist alles gut"Erschienen am 12. November 2009
Das Interview führte Thomas Tamberg


Der überraschende Selbstmord von Nationaltorhüter Robert Enke geht allen Menschen tief unter die Haut.
Am 10. November warf sich der 32-jährige vor den Zug.
Er hinterlässt seine Frau Teresa und die zweijährige Tochter Leila.


Was bis vor zwei Tagen keiner wusste: Enke litt seit Jahren unter schweren Depressionen.
Vier Millionen Menschen in Deutschland leiden ebenfalls unter dieser Krankheit, acht Millionen sind gefährdet.
Nach wie vor wird das Thema Depression tabuisiert. t-online sprach mit dem Diplom Psychologen und Psychotherapeuten
Patrick Mayer aus Berlin. Er erklärt im Interview die Krankheit Depression, warum die Tat von Enke keine spontane
Aktion war, wann eine stationäre Behandlung notwendig ist und was auf den Lokführer zukommt.


Frage: Herr Mayer, war Robert Enke bei seinem Selbstmord soweit zurechnungsfähig, dass man sagen kann,
er war voll für sein Handeln verantwortlich?


Generell ist er verantwortlich für sein Handeln wenn er nicht in einem ernsthaften psychiatrischen Zustand ist.
Aber es ist bei einer Depression natürlich immer so, dass eine psychiatrische Erkrankung vorliegt.


Also war er in einem Zustand, in dem er nicht mehr voll zurechnungsfähig war.


Doch. Wenn man dem glauben darf, was in den Medien steht, dann hat er das ziemlich genau geplant.
Er hat angeblich mit niemandem darüber gesprochen, wie stark seine Probleme sind. Das ist dann immer der
riskanteste Moment. Wenn ein depressiv Erkrankter mit niemandem darüber spricht, dann ist die Gefahr am
allergrößten. Solange man darüber spricht, sucht man immer noch nach Lösungsmöglichkeiten.
Wie ich gelesen habe, hat sein Therapeut kein Risiko gesehen. Daher würde ich davon ausgehen,
dass Enkes Tat von langer Hand geplant war und keine Kurzschlussreaktion war.


Reifte der Entschluss erst in letzten zwei, drei Tagen oder plant man so etwas noch länger?


Das war wohl bereits länger geplant. Erwin Ringel beschreibt das präsuizidale Syndrom, die Einengung der Welt,
die Einschränkung sozialer Kontakte. Man muss sich das vorstellen wie einen Trichter, der nach unten zuläuft.
Und ganz unten am Trichter steht der Suizid. Das ist ein Prozess, der kann über Jahre gehen,
der kann aber auch nur Wochen dauern. Aber er dauert länger als ein paar Tage.
Wenn irgendwann die Handlungsoptionen ausgehen, steht am Ende Suizid. Jeder der Depressionen hat oder eine
psychische Erkrankung, die in diese Richtung geht, hat Suizid als Lösungsoption im Hinterkopf.
Ich bin mir sicher, dass Enke diese Option schon häufiger im Hinterkopf hatte.



Gibt es Symptome für die Krankheit, die auch ein Laie, der kein Arzt ist, erkennen kann?


Menschen mit Depressionen ziehen sich zurück. Ihr Selbstbewusstsein ist angeknackst.
Das berühmte Glas ist halb leer und nicht halb voll. Sie haben eine eher negative Grundeinstellung gegenüber
der Welt und den Menschen. Analytiker sehen Depressionen als Aggression, die man nicht nach außen,
sondern nach innen wendet. Suizid ist schließlich auch die größtmögliche Aggression, die man gegenüber
sich selbst anwenden kann.



Hat ein an Depression Erkrankter die Möglichkeit, die Krankheit selbst in den Griff zu bekommen?


Bei drohender Suizidalität gibt es keine andere Möglichkeit, als den Patienten stationär einzuweisen.
Da gibt es keine andere Möglichkeit damit umzugehen. Wenn ich lese, dass es Enkes Frau mit Liebe probiert hat,
dann ist das ein schöner Versuch, aber definitiv nicht ausreichend.
Wenn man Menschen mit schweren Depressionen sieht, stellt man fest, dass sie überhaupt keine Emotionen mehr haben.
Eine traurige Grundstimmung oder Versagensängste kennt jeder von uns, aber eine richtig schwere Depression ist eine
Abwesenheit von Emotion, ein komplettes Ausblenden von allem, was es gibt. Da ist ganz sicher eine medikamentöse
und therapeutische Behandlung über Jahre notwendig.



Wie sollte das nähere Umfeld eines depressiv Erkrankten auf die Person reagieren?


Einer der ersten Sätze, die jeder Psychotherapeut lernt, ist: Bloß nicht versuchen, einen depressiv Erkrankten vom
Gegenteil zu überzeugen Und immer nur sagen: Das ist doch alles nicht so schlimm. Das ruft bei den Patienten eine
Abwehrreaktion hervor. Sie sehen sich nicht verstanden. Es gilt gewisse Korrektionen zu hinterfragen,
ob wirklich alles so schlimm ist, aber man sollte die Patienten auch mit ihren Ängsten annehmen.
Man muss den Patienten ernst nehmen und unterstützen. Und dann Schritt für Schritt Ressourcenaktivierung betreiben
und kleine Dinge im Alltag fördern.



Sind Menschen, die an einer Depression erkrankt automatisch suizidgefährdet?


Depressionen gibt es in ganz unterschiedlichen Schweregraden. Von ganz schwer, die überhaupt keine Emotionen mehr
spüren bis zu leichteren Varianten. Es gibt leichte Formen, die nur psychotherapeutisch behandelt werden brauchen.
Die mittleren bis schweren Erkrankungen müssen zwingend medikamentös behandelt werden.
Weil diese Patienten so eingeengt sind, dass sie nicht mehr herausfinden. Und das ist mit rein therapeutischer
Hilfe schwer möglich.


Was ist eigentlich der Unterscheid zwischen Depression und Burn-out-Syndrom?


Therapeutisch wird beides gleich behandelt. Der große Unterschied ist, dass es bei einem Burn-out-Syndrom immer
einen Auslöser gibt. Die Situation auf der Arbeitsstelle, die Beziehung oder ähnliches.
Bei Depressionen gibt es zunächst oberflächlich betrachtet keinen Auslöser, wenn man sich die Biographie des
Patienten anschaut, kann man aber einen finden.



Inwieweit war sich Enke bewusst, was er dem Lokführer antut wird, bevor er sich vor den Zug schmeißt?


Er war in diesem Moment sicherlich so eingeengt in seiner Wahrnehmung, dass es ihm nicht bewusst war, was dem
Lokführer antut. Er hat nur noch seine Depression gesehen, nur noch sein Leid und wollte es beenden.
Er hat in diesem Moment nicht über den Lokführer nachgedacht oder seine Frau und sein Kind.
Dieser Trichter, den ich bereits erwähnt habe, wird am Ende ganz eng.
Und er hat gar keine Möglichkeit über etwas anderes nachzudenken, als über die offensichtliche Erlösung.



Welche Folgen kann dieser Vorfall für den Lokführer haben?


Die Lokführer werden psychotherapeutisch betreut. Für einen Lokführer kann es alles bedeuten.
Der eine kann am nächsten Tag wieder arbeiten, weil er es sehr gut ausblenden kann.
Bei anderen kann es zu einer erheblichen Belastungssituation führen, die auf Dauer auch zu einer
posttraumatischen Belastungsstörung führen kann.
Die Symptome davon wären Rückblenden oder Schlafstörungen.
Der Lokführer im Fall Enke hat ja wohl auch eine Vollbremsung eingeleitet. D.h. er hat genau wahrgenommen,
dass ein Mensch auf dem Gleis stand. Es ist wahrscheinlich, dass er diese Bilder wieder auftauchen sieht.



Hat Enke in gewisser Weise verantwortungslos gehandelt,
weil er auch das Leben des Lokführers vielleicht zerstört hat?


Man kann auch fragen, wieso tut Enke so etwas dem Lokführer, seiner Frau, seinem Kind und dem Verein an?
Aber man kann ihm keinen Vorwurf machen. Er war so eingeengt in seiner Wahrnehmung und in seiner Wertewelt,
dass kein Rückschluss auf Interessen von anderen möglich war. Der Wunsch zu sterben war so stark im Vordergrund,
dass er darauf keine Rücksicht mehr nehmen konnte. Das steht ja im Denken der depressiv Erkrankten im Vordergrund:
Nach dem Suizid ist alles vorbei, dann ist alles gut.
Es gibt bei diesen Menschen ja auch kein Denken über diesen Punkt hinaus.
Die Angst vor der Zukunft ist ja die zentrale Angst der Depressiven.
Sie fragen sich, was alles Schlimmes passieren kann oder sagen sich, dass alles noch schlimmer wird.
Deswegen ist der Suizid die finale Erlösung, dann ist alles vorbei.
Dann kann dem Patienten alles egal sein und genau so verhält er sich dann auch.

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Ich weiß, warum ich mit Menschen, und nicht mit Maschinen arbeite


euroschlumpi
ursus
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Re: Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

Beitrag von ursus »

Danke, euroschlumpi, Dir, für deine fundierten Einlassungen . Sie tragen sicherlich zur Versachlichung bei. Einige Ausführungen fand ich doch sehr plakativ und .... Während meiner beruflichen Tätigkeit war ich nicht selten der Erste, oder bei den Ersten, vor Ort, der die Folgen eines Suizids, am/im Gleis, "hautnah" zu recherchieren hatte. Dies hat mich mit-geprägt und empfindsam werden lassen. Sicherlich werde ich zu vorliegendem Thema keinen weiteren Beitrag verfassen, ( doch die Wertschätzung des Forums bzw. seines Administrators kann garnicht genug gewürdigt werden.)
ursus
Mayo

Re: Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

Beitrag von Mayo »

Hallo


Eins muss ich noch loswerden. Dann geb ich ruhe.


Findet ihr es normal, das man einen Menschen, nach einem Selbstmord in einem Stadion aufbahrt?

Findet ihr das nicht ein wenig übertrieben?

Da muss ich sagen, das ist nach Gesprächen mit mehreren Leuten ( auch Fussballfans ) nicht nur meine Meinung.
Weil einige mit dieser scheinbar nicht so zurecht kommen.
Euroalex
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Re: Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

Beitrag von Euroalex »

Wie schon gesagt , man sollte auch mal an die Frau denken die jetzt alleine ist !
pologt4
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Re: Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

Beitrag von pologt4 »

also ich für mein empfinden fande, das die Trauerfeier indem so eine gute idee war, da Robert Enke seine Fans sein ein und alles waren.........daher war das sicherlich der richtige abschied in seinem Fall um sich auch von seinen Fans ( wo ich meist von kindern und jugendlichen rede ) zu verabschieden.

Desweiteren, die Aufgabe, die uns Robert Enke mit seinem Suizid gestellt hat, sollte man nicht vergessen. Der "Mensch" hat gesellschaftlich zu funktionieren, zeigt er Schwäche, funktioniert er nicht. Robert hat seine Krankheit nicht gezeigt, weil er sich nicht als schwach darstellen wollte und ist daran zerbrochen. Der Tod Enkes kann uns helfen zu begreifen, daß ein Mensch keine Maschine ist, wir sind Individuen und nicht "perfekt" programmiert und an der Akzeptanz dieses Satzes muß sich die Gesellschaft messen lassen....

Ich hoffe inständig das sich in unseren "verkommenen" Gesellschaft endlich etwas ändert....
Mister Münze
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Re: Nationaltorhüter Robert Enke ist tot

Beitrag von Mister Münze »

Ich glaube nicht, dass er so Abschied von seinen Fans nehmen wollte, aufgebahrt im Stadion. Ihm plagte eine Krankheit, die Depression. Ein Grund dafür sind die Medien, die Geschichten um ihn so aufarbeiten, dass sie die Person unter den Scheffel stellen. Hat er mal nicht so gespielt, wie seine Fans es erwarteten, dann schrieb die Presse gleich: "Enttäuschende Leistung des Leistungssportlers". Das wird bei vielen Sportlern gemacht. Diese negativen Berichte nagen an des Menschen Selbstbewusstsein und lassen Selbstzweifel aufkommen. Entschuldige, wenn ich das so sage, aber sein Tod war gefundenes Fressen für die Medien. Keine Tageszeitung, keine Nachrichtensendung, die nichts über seinen Tod schreibt. Seine Frau wird 1 Tag nach seinem Tod vor die Kamera gezerrt und medienwirksam befragt und präsentiert. Ich wär persönlich nicht in der Lage, Tage danach in einer Pressekonferenz eine Stellungnahme zu dem Tod meiner Partnerin zu geben. Für mich ist ein Hauptgrund der Umgang der Medien mit dem Menschen.
Jährlich sterben 10 Tausende Menschen durch Suizid, um keinen von diesen wird so viel berichtet. "Nur" weil Enke ein beliebter Fussballer war, ist sein Tod tagelang Bestandteil der Nachrichtenwelt. Er wollte es so, sonst hätte er es nicht getan, keiner hat ihn gezwungen, sich vor den Zug zu werfen.
Wie es dem Zugführer geht und wie ER darunter leidet, davon hört man nichts in den Medien.

Ich persönlich finde den Rummel um seinen Tod übertrieben. Mein letzter Satz an Robert Enke: Ruhe in Frieden!
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